Sonntag, 23. November 2014

Not the worst, just outdated

Sie sind einfach alt geworden, die Sitcom-Schreiber in Hollywood. Oder liegt es an der Generation selbst? Denn eigentlich ist You're the worst (FX) eine launige Serie über zwei MidtoEnd-Twenties-Hipster, die großartige Momente und richtig gute Gags hat, aber auch an einigen Punkten knirscht und stottert. Aber der Reihe nach.

Toxic

Wie schon auf britcoms.de empfohlen, geht es um eine "toxische" Beziehung von zwei Misanthropen, die Sex ohne Bindung wollen und sowieso eigentlich keine Lust auf die großen Gefühle haben oder so auf Emotionen generell. Pech, dass genau diese beiden wohl das entwickeln, was man Verbundenheit nennt, die zu dieser Generation passt wie ein Bausparvertrag der LBS. Jimmy und Gretchen müssen sich also irgendwie mit dem alltäglichen Beziehungskistenzeug arrangieren, lästige Dinge wie Eifersucht, Respekt, gemeinsame Langeweile oder das Einhalten von Verabredungen lernen und praktizieren.

Das alles ist flott geschrieben, ätzt oft herrlich schwarzhumorig vor sich hin, die beiden Hauptdarsteller haben viel Chemie und auch die Nebendarsteller sind stimmig: Vom Ex-Junkie frisch aus dem Irakkrieg mit Traumata und PTSS über den offensichtlich leicht größenwahnsinnigen Rapstar bis zur sexgeilen Freundin von Gretchen, die es einfach immer und überall will, aber mit einem Nerd-Millionär verheiratet ist. Der ganze Cocktail ist soweit ordentlich gemischt, allerdings gibt es da ein paar kleinere Wehwehchen.

Ein paar Meta daneben

Da ist zum Beispiel das Setting. Jimmy ist, soweit man das eben erfährt, erfolgloser Schriftsteller, der in einer Krise steckt, aber sich eine fette Bude in L.A. leisten kann. Immer wieder wird klar, dass der große Durchbruch noch auf sich warten lässt, aber scheinbar ist genug Kohle da, um in Saus und Braus zu leben - beim Vorbild für Jimmy namens Hank Moody ist das stimmig, hier jedoch weiß man nicht so recht, wie das alles zusammenpasst. Den Literaten auf dem Selbstzerstörungstrip, den nimmt man Jimmy einfach nicht ab.

Doch schlimmer noch also solche eher marginalen Plot-Lücken sind die komplett unbeholfenen Referenzen, die immer wieder eingestreut werden. Sollen wir wirklich glauben, dass sich Endzwanziger über Genesis(!) mit oder ohne Peter Gabriel(!!) unterhalten? Oder über Ferris Macht Blau? Entweder sind die Autoren dieser Serie altmodische Romantiker, die für die Zielgruppe nicht die richtigen Metadaten sammeln konnten oder wollten - oder genau dieser Generation fehlt es an popkulturellen und identitätsstiftenden Bezügen, was ich einfach mal nicht glauben will.

Dennoch: You're the Worst ist für mich einer der besten Serien dieses Jahres und es bleibt zu hoffen, dass sich die Schreiber ein wenig mehr auf die Zielgruppe einschießen. Denn bislang fehlt es wohl an Publikum, auch wenn der Serie eine zweite Staffel gegönnt wurde.


Sonntag, 6. Januar 2013

Charlotte sometimes

Hab ich da nicht neulich (ähem) etwas hart über zdf.kultur geurteilt? Gut, der Kulturpalast ist immer noch verklemmtes Kulturbekehrungsprogramm für Bildungsbürgeraspiranten mit Bachelorabschluss in Geisteswissenschaften (das krampft dermaßen) ... aber dann gab es da ja noch Roche & Böhmermann. Ja, Charlotte Roche. Genau die, bei der sich das Lager der Kulturwissenschaftler in verzückt jublierende Viva2-Anhänger und ätzende Verachter der Körpersafttheoretikerin spaltete. Ist ok so. Roche polarisiert. Immerhin etwas, das können andere Akteur des öffentlichen Lebens nicht von sich behaupten.

Genau diesen Keil treibt sie nun mir ihrem Kompagnon Böhmermann, der wohl irgendwie eine Vorgeschichte mit Harald Schmidt sowie Klaas und Yoko (wer?) hat, noch ein Stückchen tiefer. Die Meinungen zur Talkshow Roche & Böhmermann, welche zdf.kultur peinlich berührt am Sonntag abend versendet, klaffen weit auseinandern. Zu Recht! Die Sendung ist Chaos, Unverschämtheit, Egotrip, Selbstverliebheit, Nonsense und verkrampfte Andersheit - und dabei so erfrischend merkwürdig, dass man froh ist, dass es doch noch Programmplaner mit -tschuldigung- Eiern in der Hose gibt. Da gehen auch mal die Gäste, sind beleidigt oder werden beleidigt, man fällt ihnen ins Wort und am Ende der Show haben sie meist nicht mal zwei ganze Sätze gesagt. Man ist genauso schlau wie vorher. 

Es adelt die Sendung sogar, wenn RTL sich pseudo-empört, wenn Roche über das Sex-Leben von Hobbyzausel Jean Pütz spekuliert und ihr daraus einen kleinen Skandalstrick drehen will. Wenn sich dann noch Farin Urlaub als spießige Spassbremse outet, der nicht in der Sendung auftritt, weil dort *gasp* geraucht und gesoffen wird, weiß man, dass diese Sendung das Zeug hat, Bilder gerade zu rücken.

Roche & Böhmermann heucheln nicht, dass am Ende der Show ein Thema ausdiskutiert wurde oder gar der Star mal menscheln durfte. Mit kleinen Postproduktions-Tricks wird allzu ödes aufgepeppt, manchmal sind die Einfälle grandios, manchmal gehen sie voll daneben. Macht nix, aufstehen, lernen, weiter. Das ist gelebtes Fernsehen mit Ecken und Kanten für eine Zielgruppe, die man schon längst verloren glaubte. Gut, viel werden ohnehin nicht einschalten. Das ist Schade: Man sollte sich tatsächlich mal Sonntags vor den Fernseher setzen. Läuft ja sonst eh nix.

P.S.: Gerade wird über eine dritte Staffel spekuliert. Wird kommen. Die Sendung hat den Namen zdf.kultur in die Presse gebracht, darauf wird man nicht verzichten wollen.

P.P.S.: Tja, zdf.kultur wird abgesägt. So kann man daneben liegen.

Sonntag, 9. Dezember 2012

Downton Girls

Das ZDF tut Gutes und spricht kaum darüber - Der Mainzer Sender mit der Spritzigkeit eines Rollators hat einen Einkauf getätigt, der bei Freunden des Historien-Porns für wahrhaft orgiastische Zustände sorgen dürfte: Der Adelspomp von Downton Abbey beehrt das Öffentlich Rechtliche Fernsehen. Doch wer nun den siechenden Dialogwitz von "Unser Charly" gekreuzt mit dem steifen Belehrungsgestus von "Die Manns" fürchtet, irrt. Downton Abbey mag zwar zuweilen ein wenig altbacken wirken, doch der britische Sender ITV weiß, wie man ein Fass aufmacht.

Klar ist das alles soapy und hemmungslos overthetop, aber besonders die erste Staffel scheut sich nicht, den britischen schwarzen Humor zu bedienen, den die Deutschen doch immer so toll finden. Alles dreht sich um das gleichnamige Gebäude und die darin residierende Adelsfamilie sowie deren Bedienstete, kurz nach dem Untergang der Titanic. Unglücklicherweise waren just an Bord dieses Luxusliners alle potentiellen Erben des großen Anwesens und so muss sich Patriach Lord Grantham auf die Suche nach dem Nächsten in der Erbfolge machen. Noch mehr Unbill droht hier: Ein Bürgerlicher ist es, dem der ganze Kasten mitsamt Valet und Küchenpersonal in die Hände fallen könnte. Um doch noch sein Töchter mit in die Waagschale zu werfen, wird der ältesten Tochter, Lady Mary, angeraten, sich dem äußerlich nun nicht unadretten Anwalt an den Hals zu schmeißen. Zunächst muss es jedoch noch einen unglücklichen Todesfall und ein schmutziges Geheimnis geben, das die Famillie zerstören könnte, ehe Mary erkennt, dass sie in ihrer Arroganz alle Karten verspielt hat. Das Drama nimmt seinen Lauf ...

Es braucht eine ordentlich Resistenz gegen Kitsch und überzeichnete Figuren, um Downton Abbey etwas abzugewinnen. Hier der aufrichtige Gentlemen, dort der bis zur Selbstaufgabe treue Dinner und natürlich die durchtriebenen Fieslinge, die blutdruckhochtreibend böse sind. Belohnt wird man dafür mit Eye-Candy der besonderen Sorte: ITV haben offentsichtlich keine Kosten gescheut, um das Drama möglichst aufwändig aussehen zu lassen. Die Kostüme, die Ausstattung: Alles besticht durch das, was man im englischen "lavish" nennt und eigentlich fast schon erotisch in Richtung Objektfetischismus geht.


Doch Downtown Abbey ist nicht nur Style over Substance: Es geht um mehr, als nur eine Familiengeschichte. Es geht um den Untergang des Adels, das aufstrebende Bürgertum, um alte Sitten und neue Moden, um den ewigen britischen Streit zwischen Konservatismus und Moderne, um Invididualität in einer verkrusteten Gesellschaft. Viele Themen werden nur angerissen, andere schwingen in jeder Episode mit. All das reicht jedoch aus, um Downton Abbey problemlos neben eine der besten Kostümserien der Briten, Jane Austens "Pride and Prejudice", zu stellen. Fans historischer Serien brauchen danach zumindest erst mal eine kalte Dusche.

P.S.: Unbedingt im Original anschauen. Ohne Stiff Upper Lip geht viel verloren.

Mittwoch, 28. November 2012

Bullseye!


Man wird sich bei Sky die Augen gerieben haben. War die Sicht wieder etwas klarer, wurde das vorliegende Konzeptpapier noch einmal überflogen, diesmal mit einem Kopfschütteln, einem Lachen oder gar einem leisen Stöhnen. Ein tiefer Seufzer über die ausufernde Kreativität von Autoren und was diese Kreativen sich heutzutage so alles einfallen lassen muss den Prozudentenlungen entwichen sein. Wie es das Konzept zu Hit & Miss letztendlich sogar bis zur Produktion und Ausstrahlung geschafft hat, dürfte das Geheimnis von Schöpfer Paul Abbott bleiben. Denn allein auf dem Papier liest sich das Ganze abstrus und überladen, man kann es selbst nicht glauben, dass sich dahinter einer der interessanten britischen Serien der letzten Jahre verbirgt.


Hauptfigur ist Mia, eine eiskalte Auftragskillerin, die ohne große Emotionen mit allerlei Werkzeug geschickt ihren Job erledigt. Skrupel sind ihr fremd. Doch die Attentäterin hat noch ein weiteres Geheimnis: Sie ist transsexuell. Geboren im Körper eines Mannes hat sie sich entschieden, als Frau zu leben. Von ihrem früheren Leben sind nur noch zwei Sachen übrig: Das Geschlechtsteil und ein kleiner Sohn, von dem sie erst beim Tod der Mutter erfährt. Sie fühlt sich verantwortlich, sucht den Kontakt – und findet ein Gruppe verwahloster, aber selbstständiger Jugendlicher, die eine eigene soziale Struktur bilden. Eine neue Bezugsperson hat es dort schwer, sich durchzusetzen … Hit & Miss ist ein postmodernes Powerhouse, sofern man noch an die Postmoderne glauben mag: Eine Bricolage aus Stilen und Genre, die jedoch zu einem intensiven Ganzen findet. 

Auf der einen Seite die nüchterne großbritannische Tristesse eines Ken Loachs, verfeinert mit etwas Mystery und amerikanischem Breaking-Bad-Feeling. Dazu einen Schuss Dexter und eine große Portion Genderdiskussion. Ein Batzen Themen und dennoch gibt es kaum Reibungsflächen. Das liegt zum einen an der poetischen, rauen Bildsprache, die ein fast schon postapokalyptisches Bild des heutigen Großbritannien zeichnet, aber auch an der faszinierenden Hauptdarstellerin Chloë Sevigny, die sich dem äußerst schweren Brocken behutsam nähert und mit einer nuancierten Mimik die Grauzonen zwischen Killerin und empfindsamer Selbstdefinition erforscht. So verschluckt sich Hit & Miss nie an seiner übergroßen Aufgabe und es gibt in diesem komplexen Drama viel zu entdecken, wenn man sich auf die komplett abwegige Prämisse einlassen kann. Erst wenn man sich fallen lässt, trifft die Serie voll ins Schwarze.

Samstag, 24. März 2012

Der Aufregener der Woche


Da regt sich also jemand auf. Über die Kostenlos-Kultur im Internet und die blöden Konsumenten, die alles gratis haben wollen und nicht an die verarmten Künstler denken. Diesmal jedoch kein Plattenboss in einem Flanellhemd, gestrickt aus feinster Musikerhaut, mit blitzendem Goldzahn. Nein, der selbsternannte Indie-Papst Sven Regener himself setzt an zur Hasstirade. Wer so sehr in seinem Dialekt rohrspatzig abgeht, der muss doch irgendwie Recht haben. Also wird fleißig auf Facebook verlinkt und alle finden das ganz gut, dass mal einer den blöden Kostenlos-Wollern die Meinung geigt. Nur: Sie ist falsch, wie schon oft und oft betont.

Zum einen stimmt die Korrelation nicht: Tatsächlich gibt es keine Kostenlos-Kultur, sondern eine Antest-Kultur. Es gibt in diesen Tagen und Zeiten zuviel Dreck, den man sich nicht ins Regal stellen will. Also lädt man runter, zieht sich das Album ein paar Rotationen lang rein oder schaut sich auf Youtube, wenn es denn der große Google-Konzern erlaubt (die GEMA ist nicht immer Schuld, da hat er wohl Recht) die Videos an. Entscheidungen dauern manchmal länger. Dennoch zeigen Studien: Runterlader sind auch Käufer

Wer sich die Entwicklungen anschaut, wird feststellen, dass besonders im Bereich Vinyl immer mehr verkauft wird. Musikhörer sind eben meist auch Sammler. Diverse Formationen haben dieses Potential erkannt und verkaufen zahlreiche Auflagen und limitierte Editionen: Da gibt es von Florence and the Machine aufwändig gestaltete 7“-Singles, die für einen stolzen Preis über die Ladentheke gehen – und offenbar äußerst populär sind, denn die Teile sind meist in Windeseile ausverkauft. Es würde zu weit gehen, zu behaupten, dass sich hier eine Investmentchance wie der Kunstzirkus oder der Oldtimermarkt aufbläht – aber die Preise, die für Raritäten gezahlt werden, sind schon erstaunlich. Ich schweife ab.

Die Musiker müssen nunmehr aktiv und vor allem kreativ werden: Vinyleditionen, Merchandise, spezielle Auflagen, exklusive Download-Songs, Crowdfunding alà Einstürzende Neubauten (die das schon gemacht haben, als es das Wort Crowdfunding noch gar nicht gab) – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Geld zu machen und die meisten Musiker haben das bereits erkannt. Am Ende geht man einfach auf Tour, denn beliebte Formationen können problemlos ihre Hallen füllen und auch kleinere Bands, die sich einen ordentlichen Stamm an Fans aufgebaut haben, müssen nicht vor den üblichen zwei besoffenen Stammgästen spielen.

Zugegeben: Der Markt ist härter. Die fetten Jahre der CD-Einführung sind vorbei. Element of Crime und Herr Regener müssen sich eben etwas einfallen lassen – das Geld sprudelt nicht mehr einfach so. Aber niemand hat je behauptet, Musik müsse kostenlos sein und die Künstler sollen nicht entlohnt werden. Schon gar nicht die Piraten, wie man ganz leicht auf deren Wiki nachlesen kann. Aber ein informierter Kommentar bringt eben weniger Likes auf Facebook. Immerhin da versteht Herr Regener sein Handwerk und darf sich über Publicity freuen. Vollkommen kostenlos. Ist das Internet nicht herrlich?